LESEPROBE

Florian Günther

EINMAL FÜR UMSONST

 

Mit Illustrationen von Klaus Zylla

130 x 185, Französische Bindung ca. 160 Seiten,

Moloko Print-Verlag 2025

 

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AN DER PISSRINNE

 

Ich kenn ihn schon eine ganze

Weile, weiß, womit er sein

Geld verdient. Also beuge ich mich

zu ihm rüber und sage:

 

Mal unter uns, Alter:

Kannste mir ne Knarre

besorgen?

 

Klar. Kostet

dich aber n Tausender.

 

Au backe.

Gehts nicht billiger?

 

Wen willste denn

ausknipsen,

dich oder jemand anderen?

 

Mich!

 

Na, dann bleibts

bei nem Tausender.

 

 

 

DIE RATTE

 

Manchmal

sehe ich ihn und

wechsle

die Straßenseite.

 

Sieben Jahre

hat er gebrummt,

für den

Mord an

einem Freund.

 

Nun ist er

wieder draußen

und grinst

vor sich hin.

 

Was macht

deine Alte,

rief ich ihm bei

unserem

ersten Wiedersehen zu.

War sie’s wert?

 

Sein Grinsen

verschwand.

 

Aber nur

für einen kurzen

Augenblick.

 

 

 

TAXI

 

Jeden Morgen in aller

Herrgottsfrühe

holt er sie von der Arbeit ab

und chauffiert sie in die

abgelegenen Randbezirke

der Stadt.

 

Sie sehen müde und

erschöpft aus nach all dem Sex,

spielen lustlos mit ihrem

Handy, oder sehen

gleichgültig zum Fenster

raus.

 

Die Straßen

sind noch menschenleer,

an den Tankstellen

ist nichts los,

und das Autoradio dudelt

leise vor sich hin.

 

Denn am

meisten schätzen sie

die morgendliche

Stille. Das

leise Surren des Motors.

Und das lange

Schweigen zwischen

hier und da.

 

 

 

AM SPÄTI

 

Nach einer quälend langen

Diskussion über die wachsende

Kriminalität im Lande sagt

ein Dicker in gestreiften kurzen

Hosen traurig:

 

Wißt ihr noch, Leute,

wie schön das hier alles zu

Ostzeiten war? Wir hatten Arbeit

und bezahlbare Mieten,

und wir haben unsere und

die Nachbarskinder ohne Sorge

aufwachsen sehen, und heute ist

hier alles voller Kanacken.

 

Ein dünner,

hochaufgeschossener

tiefschwarzer Mann, der

einen Klappstuhl

ergattert hat und fröhlich vor

sich hin bechert, hebt die

Brauen.

 

Na, du bist nicht

gemeint! sagt der Dicke

entschuldigend. Aber deine

Brü-da und Schwes-tan,

weißte!

 

Genau! springt ihm

ein anderer zur

Seite: Du bist in Ordnung, Mann!

Aber du bist ja auch einer

von uns!

 

 

 

EIN ECHTES OPFER

 

Meinem Freund Tho

gehört der kleine

Späti hier unten auf der anderen

Straßenseite.

 

Er ist Asiate

und trinkt nie, und

ich sage:

nie Alkohol.

 

Doch an meinem

60. Geburtstag,

genehmigte er sich mir

zu Ehren,

einen

Kümmerling.

 

Und war

danach drei Tage

krank.

 

 

 

OBST

 

Nach unserer ersten

oder zweiten Nacht brachte

sie mir ein Schälchen Erdbeeren

mit und stellte sie in den

Kühlschrank.

 

Doch als ich da nach langer

Zeit mal wieder reinsah, waren

wir längst auseinander

und die Erdbeeren waren

verschimmelt, bis auf eine.

 

Ich ließ sie

mir schmecken und

dachte:

 

Vielleicht

war diese Zimtzicke

ja doch ganz

ok.

 

 

 

HERRLICHE ZEITEN

 

Ich bin beim

Psychiater.

 

Er fragt mich,

wie es mir geht.

 

Wenn ich

das wüßte, Doc,

wäre ich nicht hier, sage

ich. Darf man

fragen, wie

es Ihnen geht?

 

Er beugt sich

nach unten, bringt

eine große

Flasche Korn

zum Vorschein, nimmt

einen ordentlichen Schluck

und sagt:

 

Oh. Ich

kann mich nicht

beschweren.